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Der Dichter Andreas Gryphius spricht in seinem Gedicht über die Zeit von beidem: vom Blick nach hinten und von dem nach vorne. Und er spricht vom Glauben: "Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen; Mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen; Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht. So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht."

Gryphius lebte in bedrängten Zeiten: 30 Jahre lang wütete ein unvorstellbar verheerender Krieg in Deutschland, der ganze Landstriche entvölkerte, die Menschen verrohte und ins Elend stürzte. Sein persönliches Schicksal kam dazu: als Andreas fünf war, starb sein Vater, sieben Jahre später verlor er seine Mutter. Ein schlimmes Leben – er ist auch nicht sehr alt darüber geworden. Seine Gedichte und seine Tragödien haben einen eher düsteren Charakter: da ist immer wieder von der Eitelkeit die Rede, von der Vergänglichkeit alles dessen, was Menschen tun und schaffen.

Auf diesem Hintergrund muss man natürlich auch unsere Verse lesen – und dadurch gewinnen sie noch einmal ein ganz besonderes Licht: "der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht…" – es kommt nicht darauf an, ob dieser Augenblick besonders schön ist oder heiter oder fromm. Gryphius will, dass wir ihn "in acht" nehmen, wie auch immer er sei. "In acht nehmen" ist ein sehr altes deutsches Wort; es hat etwas mit achten zu tun, mit wertschätzen, ernst nehmen. Dabei geht es nicht um inhaltliche Qualifikationen nach dem Motto: "mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heitren Stunden nur"; es geht tatsächlich um eine Lebenseinstellung.

Andreas Gryphius aber stellt einen geistlichen Zusammenhang her – bei aller düsteren Lebenssicht, die bei ihm nur allzu verständlich ist: "Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht, so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht."

Je mehr ich den Augenblick, die Gegenwart achten kann, desto mehr werde ich von Gott erfahren. Ich begegne Gott nicht da, wo ich über meine Vergangenheit nachgrüble, über die Fehler, die ich damals begangen habe und über alles Großartige, was ich geleistet habe. Ich begegne Gott aber genau so wenig in meinen Plänen für die Zukunft, nicht in den Ängsten vor morgen und den Hoffnungen für übermorgen.

Ich begegne Gott nur in der Gegenwart, im Augenblick. Hier bin ich, Gott, mit all dem, was mich im Moment ausmacht: mit meiner Freude über dieses Leben und mit meinen Problemen und Schwierigkeiten. Mit all dem bin ich jetzt da, stehe ich jetzt vor dir: schau mich an, sei mir nah – etwas anderes habe ich nicht als mich und meine Gegenwart. Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht. So ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.

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